Mittwoch, 8. Dezember 2010
Das böse, böse Wikileaks...
Seit mehreren Tagen geistert es nun durch die Medien. Wikileaks und sein Privatkrieg gegen die USA. Zur Freude aller Verschwörungstheoretiker ist Julian Assange mittlerweile verhaftet und viele Firmen haben die Zusammenarbeit mit Wikileaks gekündigt. Das riecht förmlich nach dem Handeln der letzten Supermacht, die Druck auf Firmen ausübt um einen Staatsfeind los zu werden.
Realistisch? Ich denke nicht. Die Ermittlungen gegen Assange seitens der schwedischen Strafverfolgungsbehörden laufen bereits länger. Der erste Haftbefehl wurde im August dieses Jahres ausgestellt. Die Auslieferung soll an Schweden erfolgen und nicht in die USA. Die USA ist sich nicht einmal sicher, ob Assange nach US-Recht angeklagt werden könnte. Ich würde hier also nicht von einem Komplott der USA reden.
Was mich allerdings erstaunt, ist das Verhalten mehrerer Firmen, die ihre Zusammenarbeit mit Wikileaks gekündigt haben. Offensichtlich in "vorauseilendem Gehorsam" haben unter anderem PayPal, MasterCard und Amazon ihre Zusammenarbeit beendet. Warum? Aus Angst vor schlechter Presse, weil sie "einen Vergewaltiger unterstützen" (was sachlich falsch wäre, Wikileaks ist kein Unternehmen von Assange allein) oder aus Angst vor Beihilfe zu einer Straftat? Das wird sich zeigen, bisher gibt es allerdings keine Hinweise darauf, dass Druck auf die Unternehmen ausgeübt worden wäre.

Ebenfalls interessant ist der "Casus Belli" an dem sich die Debatte um Wikileaks entzündet hat. Es geht nicht um die Berichte aus Krisengebieten oder Akten aus dem Pentagon.
Es ging um Notizen aus den Botschaften der USA. Notizen in denen Diplomaten die Lage vor Ort einschätzten und die Politiker ihrer jeweiligen Gastnation bewerteten.
Und? Was soll daran schlimm oder ungewöhnlich sein?
Das was Wikileaks veröffentlicht hat, geschieht jeden Tag, in hunderten von Botschaften und Konsulaten auf der ganzen Welt und würde es nicht geschehen, würden Diplomaten ihren Job nicht richtig machen!
Wozu unterhalte ich als Staat Botschaften, wenn nicht um Informationen aus dem Gastland zu erhalten? Und der Inhalt der Dokumente ist auch alles andere als explosiv. Wer hätte sich nicht denken können, dass Angela Merkel als pragmatisch aber wenig kreativ eingeschätzt wird? Oder dass Saudi Arabien Angst vor einem Iran hat, der politisch die Region destabilisiert?

Aber Hauptsache man hat ein Skandälchen für die Hauptsendezeit!

P.S.: Die Veröffentlichung der Kriegstagebücher halte ich für schlimmer, nicht wegen dem Inhalt, sondern weil diese Nachrichten die Leben der Soldaten gefährden anstatt den Politikern, die sie befehligen zu schaden.

P.P.S.: Wer ein Musterbeispiel für Sensationsheischende Berichterstattung wünscht, sieht sich am besten mal das hier an: http://www.bild.de/BILD/politik/2010/12/09/wikileaks-chef-julian-assange-im-sex-gangster-gefaengnis/internet-verbot-in-wandsworth.html

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